
Ein Erfahrungsbericht zur Exkursion des Werte-und-Normen-Kurses des 12. Jahrgangs am DBG
Wie fühlt es sich an, wenn ethische Fragestellungen plötzlich keine theoretischen mehr sind, sondern buchstäblich erlebbare Realität werden? Dieser Frage stellte sich der Werte-und-Normen-Kurs des 12. Jahrgangs von Herrn Gesierich am 13. Mai 2025 im Rahmen einer Exkursion zum Oldenburger Standort der Firma Goldschmaus, dem nach Angaben der für die Führung Zuständigen „modernsten Schlachthof Europas“ mit dem Leitbild der „transparenten Produktion“.
Dort werden täglich zwischen 400 und 500 Rinder geschlachtet. Der Kurs erhielt Einblicke in die einzelnen Prozessstufen der Fleischverarbeitung – beginnend beim Endprodukt, Endzerlegung und Verpackung, über das Reifelager bis hin zur Betäubung und Tötung der Tiere. Auch die Anlieferung der noch lebenden Rinder konnte beobachtet werden.
Dieser Besuch markiert einen neuen didaktischen Ansatz am DBG: Die Themen Tierhaltung und „Fleischkonsum“ sollen nicht mehr nur theoretisch, sondern auch mit Blick auf die konkrete Praxis behandelt werden. Nach den regelmäßigen Besuchen eines Hofs mit Milchviehhaltung in Jahrgang 5 stellt der beschriebene Besuch einen zweiten, bewussten Schritt in Richtung Realitätsnähe in der schulischen Auseinandersetzung mit Tierethik, ökologischer Verantwortung und Konsumverhalten dar. Wenn „die da oben“ in der Wahrnehmung vieler (junger) Menschen über Gesetze und Tierschutz entscheiden, Unternehmen Gewinn machen müssen und damit Profit der eigentliche Unternehmenszweck ist, welche Verantwortung hat dann jede*r einzelne Konsument*in? Oder sind wir mit unseren – gut begründeten – Wertvorstellungen eher als Bürger*innen und damit politisch gefragt?
Reflexion jenseits der Schulbank
Die Eindrücke waren vielschichtig – und teils widersprüchlich. Während einige Schüler*innen ihre kritische Haltung zum Fleischkonsum bestärkt sahen und seither noch bewusster und sparsamer mit tierischen Produkten umgehen, äußerten andere, dass der Besuch ihnen eine gewisse emotionale Distanz ermöglicht habe, da sie nun wüssten, „woher das Fleisch kommt“, und sich dadurch bestätigt und sicherer fühlten in ihrem bisherigen Konsumverhalten.
Einigkeit bestand jedoch in einem Punkt: Niemand blieb völlig unberührt. Die unmittelbare Nähe zur Schlachtung erzeugte bei allen eine Form der Auseinandersetzung, die im Klassenzimmer kaum herstellbar gewesen wäre. Viele gaben an, seither häufiger über die Bedeutung ihrer Konsumentscheidungen nachzudenken.
Ethik ist nicht bequem – aber notwendig
Die Exkursion wurde im Unterricht eingebettet in das Themenfeld ökologische und Tierethik. Sie verdeutlichte, dass moralische Urteile selten einfach sind, Tradition oder Bauchgefühl als einzige Gründe keine brauchbaren Argumente in der Diskussion sind und dass jede Entscheidung, auch die des Einkaufs im Supermarkt, immer schon Teil eines größeren Ganzen ist.
Wie gut es gelingt, die nun gewonnenen Eindrücke in begründete ethische Urteile zu überführen, wird sich in der anstehenden Auswertung und weiteren Unterrichtsarbeit zeigen. Klar ist aber bereits jetzt: Der Besuch war mehr als nur ein Ausflug – er war ein Denkanstoß.